Erster Branchendialog mit Vertretern der Zeitarbeitsbranche in Hennef
„Hören Sie auf, Ihre Mitarbeiter zu motivieren!“
von Dr. Michaela Schuhmann

Referent Andreas Nusko,

Hennef: Am vergangenen Freitagvormittag trafen sich zum 1. Branchendialog Vertreter der Zeitarbeitsbranche mit Vertretern des Fachbereichs Sozialpolitik und Soziale Sicherung am Campus Hennef der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Eingeladen dazu hatte der Fachbereich sowie das Forum Sozialversicherungswissenschaft e.V., zu dem sich Hochschullehrer des Fachbereichs und Akteure aus dem Umfeld der Sozialversicherung in 2015 zusammengeschlossen haben.
Als Hauptredner referierte Andreas Nusko, Geschäftsführer der Franz & Wach Personalservice GmbH aus Crailsheim, zum Thema: „Bringt mehr Autonomie mehr Arbeitszufriedenheit und Beschäftigungssicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?“

Die Firma Franz & Wach hatte vor zwei Jahren ihr Führungsmodell komplett umgestellt auf weitest gehende Autonomie, Selbstregulierung und Selbststeuerung der Beschäftigten.
„Unsere Vision war, unsere Mitarbeiter von allen Schranken zu befreien und ihnen die Freiheit zu geben, losgelöst vom Daily Business zu arbeiten. Denn die drei bis vier Mitarbeiter, die zuvor, so der Geschäftsführer „Dienst nach Vorschrift“ gemacht haben, waren drei bis vier Mitarbeiter zu viel“, schildert Andreas Nusko die damalige Situation im Unternehmen, mit der die Geschäftsleitung unzufrieden war. Firmeninhaber Gerhard Wach und Andreas Nusko beschlossen, alle geißelnden Regelungen fortan über Bord zu werfen. Denn Grund genug, noch mehr und qualifiziertes Personal zu rekrutieren, gab es ausreichend: Das Unternehmen hatte ein rasantes Wachstum zurückgelegt und war 2017 in den Rang 25 der Lünendonk-Liste der umsatzstärksten Zeitarbeitsfirmen in Deutschland aufgestiegen. Urlaub konnte fortan spontan und unbegrenzt genommen werden, die Arbeitszeiterfassung wurde ganz abgeschafft. Als Maßgabe wurde lediglich die Devise ausgegeben, dass jede Filiale während der Kernzeit besetzt sein sollte. Eine weitere Vorgabe war, die Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Alle umständlichen Bürokratien und das klassische Mikromanagement, das zuvor auch in der Firma Franz & Wach vorherrschend war, wurden abgeschafft. Stattdessen wurden die Mitarbeiter unter dem Stichwort „Empowerment“ ermächtigt, ihren eigenen Weg zu finden und so ihre eigene Motivation wieder zu entdecken.
„Wir haben unseren Mitarbeitern ermöglicht, Erfolg zu haben“, erläutert der Geschäftsführer des Personalservice-Unternehmens, das in 2017 und 2018 mit begehrten Preisen für das innovative Führungsmodell geradezu überschüttet wurde – etwa mit dem Preis des Top Employers Institute – „Top Employer“ 2017 oder dem renommierten „B2B-Service-Award“ von Lünendonk & Hossenfelder in 2018.
Viel Zeit wird seither investiert, um die Mitarbeiter mitzunehmen in die neue Führungskultur, bei der die alten Zöpfe komplett abgeschnitten wurden. Abgeschafft hat Franz & Wach auch Prämienentlohnungssysteme, langfristige Budgetplanungen, denen nach Andreas Nusko “viel zu viel Aufmerksamkeit“ gewidmet wurde. Bei Franz & Wach hat man zu diesen demotivierenden und auf die intrinsische Motivation hemmenden, „vermeintlichen Führungsinstrumenten“ gesagt: „Weg damit!“. Stattdessen setzte das Unternehmen „auf autarke Teams, die sich zu 99 Prozent selbst steuern können“.
Die bisherigen Mitarbeiterbefragungen nach Einführung des neuen Führungsmodells haben das Ergebnis geliefert, dass die Mitarbeiterzufriedenheit seither gestiegen ist – nicht in jedem einzelnen
Fall, aber doch überwiegend. Zur Frage, ob für die Mitarbeiter durch das neue Führungsmodell auch die Beschäftigungssicherheit gestiegen ist, konstatiert Andreas Nusko ein „jein“; „denn auf die Konjunktur haben wir keinen Einfluss“. Gleichzeitig relativiert Andreas Nusko diese Einschränkung wieder: „Wenn wir keine Vorgaben machen, können die Mitarbeiter jedoch besser auf den Markt reagieren“.

Moderatorin Dr. Michaela Schuhmann

Im Anschluss an den Vortrag diskutierten die Teilnehmer die strategischen und kritischen Erfolgsfaktoren des Modells und ob es sich auch auf den öffentlichen Dienst bzw. Konzernstrukturen und andere Branchen, wie etwa die Sozialversicherungsbranche, übertragen lasse und Personalgewinnung und –bindung damit betrieben werden könne. Denn das war seinerzeit der Ausgangspunkt von Franz & Wach. Die Firma mit Sitz in Crailsheim beschäftigt heute mehr als 2.800 Mitarbeiter in derzeit 28 Niederlassungen. 2015 war es das nach Umsatz am stärksten gewachsene Unternehmen der Branche.
Eine Frage interessierte die Teilnehmer in der anschließenden sehr angeregten Diskussion zwischen den Vertretern der Sozialversicherungswissenschaft und den Zeitarbeitsunternehmen dabei brennend: Hat der unbegrenzte Urlaubsanspruch dazu geführt, dass sich die Mitarbeiter bei Franz & Wach nun mehr Urlaub gönnen als vorher? „Nein“, sagt, Andreas Nusko, es habe nur einen Ausreißer mit mehr als 40 Tagen gegeben, der sich dann allerdings erklären ließ.
Bei einem gemeinsamen Imbiss, zu dem Laurenz Mülheims, Vorstandsvorsitzender des Forums Sozialversicherungswissenschaft e.V. zwischendurch einlud, tauschten sich die Teilnehmer intensiv weiter aus – was ja auch das erklärte Ziel des „1. Branchendialogs“ in Hennef war.
Der Fachbereich Sozialpolitik und Sozialversicherung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg bietet neben einer Reihe von interessanten neuen Studiengängen, auf die Christian Rexrodt, Prodekan des Fachbereichs, in seinem Grußwort hinweist, auch das weiterbildende Studium „Prävention und Employability“ für Unternehmen an. Das berufsbegleitende Studium besteht aus 5 Modulen mit jeweils einer einwöchigen Präsenzphase, so dass die überwiegende Zeit als Fernlernstudium konzipiert ist. Nach nur 9 Monaten erhalten die Teilnehmer einem Zertifikatsabschluss der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Zielgruppe sind Fach- und Führungskräfte aller Branchen, die einen effektiven Arbeits- und Gesundheitsschutz in ihrem Unternehmen etablieren wollen.
Studiengangsleiter Vincenzo Cusumano betonte die hohe Praxisorientierung des Studiums. „Die Teilnehmer rekrutieren sich zum einen aus renommierten Unternehmen deutschlandweit“ und zugleich – das sei das Alleinstellungsmerkmal – „aus verschiedenen Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung selbst“ – die über den Studiengang ihre Fach- und Führungskräfte im Bereich der Prävention ausbilden würden. „Beide – Fach- und Führungskräfte der Unfallversicherungsträger einerseits und Fach- und Führungskräfte öffentlicher und privater Unternehmen andererseits – können so von Beginn an miteinander lernen, sich austauschen und vernetzen“, stellt der Studiengangsleiter die deutschlandweiten Alleinstellungsmerkmale des Studiengangs heraus; weitere Informationen für Interessierte unter https://www.h-brs.de/de/praeventionsberatung bzw. per E-Mail an Vincenzo.Cusumano@h-brs.de.
Hendrik Hillebrand, Leiter der Bezirksverwaltung Duisburg der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), stellte heraus, dass unter anderem die Zeitarbeit von der VBG gefördert wird: „Bei erfolgreicher Teilnahme übernehmen wir die Studiengebühr in Höhe von derzeit 4.550 Euro vollständig.“ Darüber hinaus, offeriert Hendrik Hillebrand, könnten VBG-Mitgliedsunternehmen aus der Zeitarbeit durch das Prämienverfahren der VBG bis zu 50.000 Euro für Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei der VBG als Investitionskostenbeteiligung beantragen.
Dr. Michaela Schuhmann von der H-BRS, die den 1. Branchendialog moderierte, kündigte an, dass man zu den aufgeworfenen Themen weiterhin mit den Teilnehmern in Kontakt bleiben wolle.
Teilnehmer Udo Berndt, Geschäftsführer von EXPERTS TALENTS, den der Vortrag von seinem Zeitarbeitskollegen Nusko nach Hennef geführt hatte, sagte zu, beim nächsten Branchendialog wieder dabei zu sein.

Referent Andreas Nusko, Geschäftsführer der Franz & Wach Personalservice GmbH aus Crailsheim (Dritter von rechts), mit Teilnehmern des 1. Branchendialogs Zeitarbeit am Campus Hennef der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg