Am 22. Oktober 2025 feierte das Forum Sozialversicherungswissenschaft e.V. an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Campus Hennef, sein zehnjähriges Bestehen. Die Jubiläumsveranstaltung stand unter dem Motto „Tradition und Zukunft des Systems sozialer Sicherung“ und zog über 130 Studierende sowie zahlreiche Gäste aus Wissenschaft, Verwaltung und Praxis an.

Zum Auftakt begrüßte Prof. Dr. Michael Heister, Vorsitzender des Forums und Professor am Fachbereich Sozialpolitik und Soziale Sicherung die Gäste und moderierte die Veranstaltung.

Impulse zu Digitalisierung, KI und Prävention

Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand ein von Frau Prof. Dr. Helga Seel moderiertes Gespräch mit Prof. Dr. Jörg Loth (IKK Südwest) und Josefin Burk, M.A. (FernUniversität Hagen / BGHW)
Die Diskutierenden beleuchteten unter anderem die Chancen und Herausforderungen, die Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) für die soziale Sicherung mit sich bringen.

Loth erklärte, dass KI künftig verstärkt zur Gesundheitsprävention beitragen könne – etwa indem Versicherte auf mögliche Krankheitsrisiken hingewiesen werden, wenn sie ihren Lebensstil nicht ändern. Als Beispiel nannte er Diabetes.
Josefin Burk betonte, dass die Gesetzgebung der rasanten KI-Entwicklung derzeit noch hinterherhinke, es aber bereits Möglichkeiten gebe, Gesundheitsdaten anonymisiert zu verarbeiten, bevor sie zu Analysezwecken weitergegeben werden.

In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass bislang nur wenige Teilnehmende die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen. Loth hob deren Potenzial zur Forschung und Datenanalyse hervor, verwies aber auf die Grenzen aktueller KI-Systeme in der qualitativen Forschung. Burk ergänzte, dass KI nur in Themenfeldern sinnvoll eingesetzt werden könne, „in denen man sich wirklich auskennt“.

Ein weiteres Thema war die Wirksamkeit von Prävention: Sie erreiche bislang vor allem Personen, die ohnehin gesundheitsbewusst leben. Wirklich effektiv könne Prävention erst dann werden, wenn auch Bevölkerungsgruppen erreicht werden, die ihr Gesundheitsverhalten bislang wenig ändern.
Diskutiert wurde zudem eine innovative Idee von Jörg Loth : sogenannte „Zuckerzertifikate“, analog zu CO₂-Zertifikaten. Unternehmen hätten damit ein festgelegtes Zuckerbudget; Überschreitungen könnten besteuert werden – ein Ansatz, der die Verantwortung für Prävention auch auf die Industrie überträgt.

Workshops: Zukunftsthemen der sozialen Sicherung

Am Nachmittag vertieften fünf Workshops aktuelle Fragestellungen rund um soziale Sicherung, Digitalisierung und gesellschaftliche Teilhabe:

• Zukunft der Rentenversicherung (Dr. Ruth Maria Schüler, Dr. Patrick Baues)
• KI in der Leistungsgewährung (Dr. Sylwia Birska, Prof. Dr. Susanne Peters-Lange)
• Migration und soziale Sicherung (Prof. Dr. Michael Heister, Daniel Gräfingholt)
• Stay Strong! – Resilienz und emotionale Stärke (Catarina Többen Vieira, Alexander Baumstark, Vincenzo Cusumano)
• „Es ist nicht schlimm… that’s me!“ – Aus dem Beratungsalltag am Campus Hennef (Angelika Groha-Salbert, Prof. Dr. Laurenz Mülheims)

Studierende  präsentierten ihre Workshop-Ergebnisse in kurzen Pitches nach dem Prinzip: „Die Herausforderung ist … / Die Idee ist …“.

Im Workshop „Zukunft der Rentenversicherung“ wurde deutlich, dass die soziale Sicherung vor der Aufgabe steht, Solidarität und individuelle Vorsorge neu auszubalancieren. Während steigende Beitragssätze eine gemeinschaftliche Verantwortung betonen, gewinnen kapital- oder steuergedeckte Finanzierungsmodelle an Bedeutung als mögliche Ergänzung des bisherigen Systems.

Im Workshop KI im Leistungsgeschehen wurde von der Mehrheit der Teilnehmenden der Einsatz von KI zur Aktenzusammenfassung mit gezielter Datenerfassung für die Vorbereitung von Entscheidungen und Unterstützung im Reha-Prozess favorisiert. Die besondere Herausforderung bestehe im Aufbau eines internen Systems aus Gründen des Datenschutzes mit qualitätsgesicherter Pflege der Daten.

Der Workshop „Migration und soziale Sicherung“ hob hervor, dass Migration ein entscheidender Zukunftsfaktor für die soziale Sicherung sein kann – sowohl durch kulturelle Vielfalt als auch durch die dringend benötigte Fachkräfteeinwanderung.

Im Workshop „Stay Strong!“ setzten sich die Teilnehmenden mit dem Thema Resilienz auseinander. Sie beschrieben die zentrale Herausforderung darin, die drei Säulen der psychischen Widerstandsfähigkeit zu stärken. Als Idee formulierten sie Strategien, um Stresssituationen besser zu bewältigen und persönliche Ressourcen nachhaltig aufzubauen.

Schließlich widmete sich der Workshop „Es ist nicht schlimm… that’s me!“ der Frage, wie Hochschulen mit Studierenden umgehen können, die unter psychischen Belastungen leiden. Die Teilnehmenden plädierten für mehr Transparenz über bestehende Hilfs- und Unterstützungsangebote, um betroffene Studierende frühzeitig zu erreichen und zu entlasten.

Ehrung für Günther Sokoll

Zum Abschluss der Jubiläumsveranstaltung wurde der Ehrenvorsitzende des Forums Sozialversicherungswissenschaft, Günther Sokoll, mit einer festlich gebundenen Ausgabe des „Handbuch Sozialversicherungswissenschaft“ geehrt.
Günther Sokoll war maßgeblich an der Gründung des Forums beteiligt und prägte als langjähriger Dekan des Fachbereichs Sozialpolitik und Soziale Sicherung die Entwicklung der Sozialversicherungswissenschaft in Hennef ganz entscheidend mit.
Er bedankte sich herzlich für die Auszeichnung und würdigte das Engagement des Forums für Forschung, Vernetzung und Lehre im Bereich der Sozialversicherung.

Ein Blick nach vorn

In der abschließenden Reflexion betonten Prof. Dr. Michael Heister und Prof. Dr. Susanne Peters-Lange die Bedeutung des Forums als interdisziplinäre Plattform für Wissenschaft, Lehre und Praxis. Das zehnjährige Bestehen sei nicht nur Anlass zum Rückblick, sondern auch ein Aufruf, die Zukunft der sozialen Sicherung innovativ, digital und solidarisch weiterzudenken.

Austausch und Ausklang

Nach dem offiziellen Programm lud das Forum zu einem gemeinsamen Abendessen in der Mensa ein.
Bei anschließendem gemütlichen Austausch in der Bierstube auf dem Campus Hennef nutzten Gäste, Lehrende und Studierende die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen und neue Kontakte zu knüpfen.
Der Tag klang in kollegialer und angeregter Atmosphäre aus – ein gelungener Abschluss für das zehnjährige Jubiläum des Forums Sozialversicherungswissenschaft.